Vollverzinsung – Welche Folgen hat die Verfassungswidrig­keit des Zinssatzes von 6 % jährlich?

25.11.2021

In einem vielbeachteten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Juli 2021 entschieden, dass die Verzinsung von Steuer­nachforderungen und -erstattungen mit 6 % pro Jahr seit 2014 ver­fassungswidrig ist. Die Richter argumentierten mit dem seit Jahren anhaltenden niedrigen Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt, mit dem die Zinshöhe von 6 % pro Jahr nicht mehr vereinbar sei.

Das BVerfG hat zwar für Verzinsungszeiträume ab 2014 eine Verfas­sungswidrigkeit der Verzinsung festgestellt, das bisherige Recht aber für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume für weiterhin anwendbar erklärt. Nur für Verzinsungszeiträume 2019 und später muss der Gesetzgeber bis zum 31.07.2022 eine verfassungs­gemäße Neuregelung treffen.

Hinweis: Der Beschluss des BVerfG betrifft zwar nur Erstattungs- und Nachzahlungszinsen, wird sich aber auch auf die Höhe von Stundungs­zinsen, Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge, Hinterziehungszinsen und Aussetzungszinsen auswirken, da die Verzinsung auch in diesen Fällen bisher einheitlich bei 6 % pro Jahr liegt.

Steuerzahler, die in eigener Sache für Verzinsungszeiträume bis 2013 Einspruch eingelegt haben, müssen nun damit rechnen, dass die Finanzämter ihren Einspruch als unbegründet zurückweisen. Ausge­setzte Beträge müssen dann nachgezahlt werden.

Auch für Verzinsungszeiträume, die in die Jahre 2014 bis einschließlich 2018 fallen, werden Steuerzahler mit ihrem Einspruch keinen Erfolg haben. Zwar hat das BVerfG für diese Zeiträume eine Verfassungswid­rigkeit des Zinssatzes festgestellt, das aktuelle Recht bleibt aber weiter­hin anwendbar. Somit werden auch in diesen Fällen die offenen Ein­sprüche als unbegründet zurückgewiesen, so dass ausgesetzte Beträge nachzuzahlen sind. Einspruchsführer können von dem Beschluss des BVerfG für bereits erfolgte Zinsfestsetzungen nur profitieren, wenn der Verzinsungszeitraum in das Jahr 2019 oder später fällt. Durch den Ein­spruch haben sie ihren Fall verfahrensrechtlich offengehalten, so dass eine Anpassung des Zinssatzes bei ihnen nachträglich noch umgesetzt werden kann. Einer Korrektur zugänglich sind ferner Fälle, in denen ent­sprechende Zinsfestsetzungen mit einem „Vorläufigkeitsvermerk“ ergangen sind. Bestandskräftige Zinsbescheide ohne Vorläufigkeitsver­merk sind dagegen nicht mehr änderbar.

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